Viele Kita-Kinder sind nun seit Wochen, nein, Monaten zuhause und haben diese Zeit sehr unterschiedlich erlebt. Wenn jetzt nach und nach immer mehr Kinder zurück in die Kita kommen, denke an die Unsicherheiten und Ängste, die sie unter Umständen mitbringen:
Über Ungewissheiten sprechen: Für uns alle ist die Situation im Moment nicht einfach. Im Umgang mit den Kindern sind dies häufig die schwierigsten, aber auch spannendsten Momente, wenn nämlich beide unsicher sind – du selber und das Kind. Schwierig, weil so leicht Missverständnisse entstehen, aber auch spannend, weil nun eine Offenheit herrscht, in der Beziehungen zu Tage treten und beide Seiten voneinander lernen können. Während der erste Gedanke bei eigener Unsicherheit häufig ist, diese gegenüber den Kindern zu verstecken, solltest du überlegen, genau andersherum heranzugehen: Gib sie zu. Nein, du weißt einfach nicht, wann alles wieder „normal“ sein wird. Die Kinder werden sich über deine Ehrlichkeit im Endeffekt freuen. Denn, das bedeutet nicht, dass du den Kindern Angst machen musst. Aber wenn du nun Dinge behauptest, die du nicht weißt, werden sie spüren, dass etwas nicht stimmt. Im schlimmsten Fall werden sie sich belogen fühlen und unter Umständen sogar noch mehr Angst bekommen (‚die Situation ist anscheinend so schlimm, dass die Erwachsenen sie uns verheimlichen‘).
Wie viel wissen Kinder eigentlich über Corona? Die sind doch noch Kinder und bekommen nichts davon mit? Sprich mit den Kindern. Die meisten wissen mehr, als man so glaubt. Sie lauschen den Erwachsenen-Gesprächen, manche Eltern machen sich auch keine Gedanken und nach einem Telefonat mit der besten Freundin der Mutter hat das Kind sehr viel Halbwissen mitbekommen (es hat ja immer nur eine Hälfte des Gesprächs gehört). Andere wissen weniger, als man denkt: Sie machen Witze über fehlendes Klopapier – weil andere diese Witze machen. Aber im Idealfall waren sie seit Wochen nicht im Supermarkt und haben die Realität von leeren Regalen und den Ängsten, die das bei Erwachsenen transportiert, überhaupt nicht erfasst. Und das müssen sie auch nicht. Unterstelle also bei Kindern, die solche Witze machen, nicht den gleichen Wissensstand wie bei dir.
Nicht den gleichen Stand wie vorher erwarten: Die Kinder, die nun zurück in die Kita kommen, sind nicht mehr die gleichen, die sie vorher waren. Du musst die Monate, die nun vergangen sind, in Relation zu dem kurzen Leben sehen. Für die Kinder ist viel mehr Zeit vergangen als für uns. Sie haben in dieser Zeit unter Umständen keine Gleichaltrigen gesehen und hatten jeden Tag nur Mama und Papa um sich. Manche waren vielleicht kaum vor der Tür. Sie sind verunsichert, wie viel Nähe sie zulassen dürfen, da sie in den vergangenen Wochen immer gehört haben, dass Nähe etwas Schlechtes und Gefährliches ist. Manche Kinder können auch traumatisierende Wochen erlebt haben, da das Familiensystem mit der Situation nicht zurechtgekommen ist. Für viele Familien waren diese Wochen echte Belastungsproben. Das kann in manchen Familien auch zu Gewaltsituationen geführt haben. Sei wachsam, wie dir die Kinder begegnen und was sie dir erzählen.
Unterschiedliche Strategien im Umgang mit der Situation akzeptieren: Vielleicht kommen verängstigte, schüchterne Kinder zurück zu dir in die Kita. Das ist schnell zu erkennen und du wirst es vermutlich am besten einordnen und den Kindern Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Vielleicht kommen aber auch Kinder, die aufgekratzt und fröhlich sind. Vielleicht kommen Kinder, die unwirsch und voller Wut sind. Vielleicht kommen Kinder, die reden möchten und Kinder, die nicht reden möchten. Jeder hat seine eigenen Strategien und das ist gut so. Denke daran, alle haben gerade aufreibende, unsichere Zeiten erlebt. Gib ihnen allen ein Gefühl des Wieder-Ankommens und des Sicher-Seins.
Routine und Normalität bieten: Zu dem Gefühl des Sicher-Seins und des Wieder-Ankommens gehört natürlich eine gehörige Portion Normalität und Routine – und ja, genau die ist gerade so schwierig zu bieten, denn die neuen Auflagen lassen natürlich vieles nicht so zu, wie es vorher war. Bemühe dich trotzdem, oder gerade deswegen, so viel Normalität wie möglich zu zeigen. Du kannst die Kinder auch einbeziehen und mit ihnen sprechen: Welches sind die Routinen, an die sie sich erinnern und die ihnen jetzt fehlen? Vielleicht könnt ihr einen Ersatz finden, für Aktivitäten, die jetzt nicht mehr wie gewohnt stattfinden können?
Autorinnen: Redaktionsteam Verlag an der Ruhr